Hollywoods Interpretation der Monuments Men
- Tanja Bernsau
- 12. Apr.
- 6 Min. Lesezeit
oder: Warum die Wahrheit meist noch spannender ist als ein Film
Vor einiger Zeit hat sich George Clooney als Produzent und Hauptdarsteller dem Thema Kulturgüterschutz im Fall eines bewaffneten Konflikts angenommen und die Heldengeschichte der Monuments Men auf die Hollywood-Leinwand gebracht. Eine Handvoll alternder, gewollt und ungewollt komischer Kunsthistoriker in Uniform, eine schöne französische Widerstandskämpferin und ein Märchenschloss in Bayern als Schatzlager sind einige der Zutaten, die einen echten Blockbuster aus dem eigentlich so ernsten Thema machen sollten. Doch wieviel davon entspricht der Wahrheit?
Clooneys Umsetzung der "Monuments Men" basiert im Wesentlichen auf der gleichnamigen Publikation von Robert Edsel, der auch als Berater bei der Produktion fungierte. Edsel, vermögender Texaner, ist Gründer der Monuments Men Foundation, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, das Andenken dieser in Vergessenheit geratenen Militäreinheit aufrecht zu halten. Einige durchaus spannende Publikationen sind zu diesem Zwecke erschienen und haben vor allem in Amerika zu einem Wiederentdecken dieses Themas geführt. Edsels Recherchen beruhen auf den Quellen des Militärs, aber auch auf den Berichten der Kunstschutzoffiziere selbst, die teilweise biographische Arbeiten dazu veröffentlicht haben, oder auf den persönlichen Erzählungen der wenigen Monuments Men, die heute noch leben.
Das führte zwangsläufig zu einer recht einseitigen, amerikanischen Perspektive, die das Buch "Monuments Men" sehr heroisch, glorifizierend erscheinen lässt: die Kunstschützer im heldenhaften Kampf gegen die deutschen Kulturbarbaren, die plündernd durch Europa zogen und Unrecht begingen, was nun durch die Monuments Men wiedergutgemacht wurde.
Aber natürlich waren diese Heldengeschichten nicht aus der Luft gegriffen. Wie wir wissen, hatten die Kulturverantwortlichen in Nazi-Deutschland tatsächlich einen beispiellosen Kunstraubzug gestartet, von den entrechteten Juden im Deutschen Reich bis hin zu den erbeuteten Kunstwerken in den besetzten Gebieten. Soweit erzählt Robert Edsel eine wahre Schatzsucher-Geschichte, die durch die patriotische Brille betrachtet wurde. Dennoch ist es interessant, einen Blick auf die Ursprünge der Monuments Men-Truppe zu werfen und auch die Aufgaben anzuschauen, die sie erledigten, als der Vorhang für die Monuments Men im Film bereits gefallen war, um das tatsächliche Wirken dieser Kunstschutzeinheit einschätzen zu können. Denn das geht über die Hollywood-Erzählung weit hinaus.
Zivile Ursprünge
Ihren Ausgang hatten die Monuments Men in einer zivilen Institution, der Roberts Commission, die sich in den Vereinigten Staaten mit näher rückendem Kriegseintritt der USA um die Kulturschätze des eigenen Landes sorgten. Zunehmend rückten aber auch die europäischen Kulturgüter, sowohl die Architektur und ortsfeste Denkmale, wie aber auch bewegliches Kulturgut, Bibliotheksbestände und Archive, in den Focus der Roberts Commission, die man vor den Schäden des Kriegsverlaufs zu schützen suchte. Zu diesem Zwecke erstellte die Mitglieder der Kommission – oft unter Zuhilfenahme der Expertise in die USA immigrierter Europäer – Listen mit schützenswerten Kulturgütern vor allem in Italien, Frankreich und Deutschland. Deren Standorte wurden in Karten eingetragen und an die Militärführung übergeben, in der Hoffnung, dass diese bei den Kampfhandlungen berücksichtigt werden konnten.
Bald wurde jedoch klar, dass diese vorbereitenden Maßnahmen fernab vom Geschehen nicht ausreichend sind. Es musste ein Team vor Ort sein, das den Militärkommandanten die Notwendigkeit des Schutzes klar machte, die Erste-Hilfe-Maßnahmen an geschädigten Objekten einleiteten und diese Schäden auch dokumentierten. Als eine an das Militär angedockte Einheit wurde daraufhin die Monuments, Fine Arts and Archives Section (kurz MFA&A) gegründet, die in den folgenden Wochen und Monaten den Kriegsverlauf begleiten sollten. Zunächst nur mit denkbar schlechten Ressourcen in Personal, Fahrzeugen und Fotoapparaten ausgestattet, versuchten diese engagierten Kulturschützer nun, Bombardements von besonders wertvoller Architektur fernzuhalten, aber etwa auch, die Soldaten bei der Inquartiernahme von solcher Architektur zu einem sorgfältigen Umgang mit diesen Gebäuden anzuhalten. Bei den Mitgliedern dieser MFA&A-Einheit handelt es sich nicht um einfache Soldaten, es waren allesamt Experten im Kultursektor, die eine militärische Ausbildung erhielten: Museumsdirektoren, Künstler, Restauratoren, Architekten – sie alle konnten ihre berufliche Expertise in den Kriegsdienst einbringen.
Neben die Sorge um die ortsfesten Kulturdenkmäler trat bald die Suche nach den beweglichen Kunstgütern, die man zu ihrem Schutz aus den großen Städten auslagert in Bergwerken, unterirdischen Depots und abgelegenen Schlössern vermutete. Der nationalsozialistische Kunstraub war den Amerikanern nicht unbemerkt geblieben, wenn auch das Ausmaß sicherlich nicht vorstellbar gewesen ist. Diese Kunstwerke suchten die Monuments Men ganz gezielt. Dass bei den ausgelagerten Kunstschätzen auch das "Nazigold", also die Goldreserven des Deutschen Reiches, vermutet wurden, unterstützte die Suchbemühungen natürlich.
Die Schatzsuche hat sich tatsächlich mehr oder weniger so abgespielt wie im Film. Das Erlangen von Informationen war der wichtigste Erfolgsfaktor. Gerade im besetzten Teil Frankreichs hatte der Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg einen Rundumschlag bei den privaten jüdischen Kunstsammlungen vorgenommen und zahlreiche Kunstwerke für die Verwertung im Führermuseum Linz, für die Sammlung anderer NS-Führer (allen voran Hermann Göring) oder aber für den Tausch und Verkauf zugunsten von Devisen in Paris zusammengetragen. Im Sammellager der Deutschen, das im Museum Jeu de Paume eingerichtet worden war, war die französische Kunsthistorikerin Rose Valland tätig, die, unbemerkt von ihren deutschen Vorgesetzten, Kopien der Listen anfertigte. Was diese nicht wussten: Sie sprach fließend Deutsch und war Mitglied der Resistance. Rose Vallands Rolle in diesem Kunstkrimi übernimmt im Film "Claire Simmon", deren Funktion weitgehend mit der Vallands übereinstimmen. Was eine hollywoodsche Interpretation ist: Während die echte Rose Valland eher dem Typus einer "grauen Maus" entsprach – was durchaus förderlich für ihre Rolle als Spionin war –, wird sie im Film von der bezaubernden Cate Blanchett verkörpert. Aber das ist nur ein Detail, das den Wahrheitsgehalt des Films nur unwesentlich beeinträchtigt.
Eben jene Schatzsuche thematisiert der Hollywood-Blockbuster. Der Wettlauf gegen die Zeit, da die Kunstgegenstände entweder durch eine Zerstörung durch Hitlers Nerobefehl oder die Wegnahme durch sowjetische Soldaten gefährdet waren. Eine nicht weniger nennenswerte Leistung der Monuments Men folgte danach.
Aber was passierte dann?
Mit der Bergung eines der Sahnestücke dieser Schatzsuche, Michelangelos sogenannte "Brügge-Madonna" im österreichischen Salzbergwerk von Altaussee im Frühjahr 1945, endete Hollywoods Erzählung. Damit hatten die Monuments Men einen der größten Funde von Raub- und Beutekunst aus dem Zweiten Weltkrieg gemacht. Was der Film dann aber nicht mehr erzählt, ist die Geschichte, wie es mit diesen aufgefundenen Kunstwerken weiterging. Denn Neuschwanstein und Altaussee waren nur zwei der Kunstlagerstätten. In ganz Deutschland (und in vielen kriegsgefährdeten Städten in Europa ebenfalls) hatte man seit Kriegsbeginn Kunstwerke, Archivbestände und sonstige wertvollen Gegenstände aus den Städten in entferntere Depots, in Bunkeranlagen, Bergwerke oder abgelegene Schlösser und Herrenhäuser in Sicherheit gebracht. Insgesamt waren es mehr als tausend solcher "Repositories", die die Monuments Men dieser Tage und auch noch eine ganze Weile nach Kriegsende auffanden und räumten. Dazu muss man bedenken, dass wir nicht nur von den Sahnestücken, sondern von vielen tausenden Objekten unterschiedlicher Güteklasse sprechen, von den erstklassigen Werken der Malerei und Skulptur, über Silberarbeiten und Porzellan, Teppich, Judaika, antike Möbel oder ganze Bibliotheksbestände.
Um einen Überblick über diese Kunstwerke zu bekommen, von denen man vieles als geraubt einschätzte, errichtete man sogenannte Central Collecting Points (CCPs), zentrale Sammelstellen vor allem in München, Wiesbaden, Marburg und Offenbach. Dort wurden all diese unzähligen Kunstwerke inventarisiert, bei Bedarf auch not-restauriert und auf ihre Besitzverhältnisse überprüft. Allein in den Wiesbaden CCP kamen in den folgenden Monaten rund 700.000 Kunstwerke, die es zu inventarisieren galt, auf eventuelle Schäden zu überprüfen und den rechtmäßigen Eigentümer herauszufinden. Oft handelte es sich um rechtmäßiges deutsches Eigentum, das seit vielen Jahren in öffentlichen Museen hing, was sich mithilfe von alten Sammlungskatalogen belegen ließ. Im Falle von im Ausland geraubten Kulturguts erschienen Repräsentanten der betroffenen Länder in den Sammelstellen, um im Rahmen der sogenannten Äußeren Restitution Kunstwerke zurückzufordern, da ins Ausland nicht an Einzelpersonen restituiert wurde.

All diese Rückforderungsanträge wurden von den Mitarbeitern des CCP erledigt. Die allermeisten einzelnen Objekte wurden – in dreifacher Ausfertigung – auf sogenannten Property Cards dokumentiert (siehe Abbildung). Dieser Verwaltungsaufwand, der sich über die gesamte Besatzungszeit hinzog, wurde ebenfalls von Mitgliedern der Monuments, Fine Arts & Archives-Section organisiert und betreut. Bei der Umsetzung konnten sie in weiten Teilen auf deutsches Museumspersonal zurückgreifen.
Meiner Ansicht nach war nicht die Bergung der Kunstwerke die eigentliche Leistung der Monuments Men: Die Kunstschätze waren in den Bergwerken und Schlössern vergleichsweise sicher untergebracht und hätten sicherlich auch auf anderem Wege, in Friedenszeiten, wieder ihren Weg ans Tageslicht gefunden. Dass sie jedoch im Anschluss auch die weit weniger glamouröse Arbeit übernommen haben, die Besitzverhältnisse der einzelnen Kunstgegenstände zu prüfen und die Werke ihren rechtmäßigen Eigentümern zurückzugeben, darf ebenfalls nicht vergessen werden. Zwar haben wir auch heute noch mit Fällen zu tun, in denen eine Rückgabe von gestohlenem Kunstwerk nicht erfolgt ist. Und sicherlich sind damals auch falsche Entscheidung getroffen worden. Dennoch ist es dieser trögen Verwaltungsarbeit der Monuments Men zu verdanken, dass viele geraubte Kunstwerke wieder ihren Eigentümern zurückgeführt wurden und auch zahlreiche rechtmäßige Museumsbestände ihren Weg wieder in ihre Häuser gefunden haben. Zumindest ein Teil des NS-Kunstraubs konnte damit wieder rückgängig gemacht worden.
Was mich an der Verfilmung auch noch gestört hat, war dieses angebliche „Rennen“ zwischen den guten Amerikanern und den bösen Russen zur Saline Alt-Aussee. Das hat nie stattgefunden!